Sexualpädagogik: Exkurs „Sexting“

Die Lehrerpersonen wissen gar nicht, was so unter uns Jugendlichen alles vorgeht.“


(Schülerin an einem Gymnasium)

Sexting ist ein sog. Portmanteauwort, eine überlappende Zusammenführung der Worte Sex und dem englischen texting, und bezeichnet das Versenden erotischer Selbstaufnahmen per […] Smartphone […]. (Döring 2015: 5) 

Obwohl wir in Deutschland wie auch in Österreich eine Jugend vorfinden, die ihre sexuellen Handlungen in der Regel einvernehmlich(er) organisiert als beispielsweise in Ländern, die eher eine Abstinenz von vorehelichen Liebes- und Sexbeziehungen propagieren, wird trotzdem in pädagogischen Maßnahmen und Materialien zum Sexting den Mädchen vermittelt, dass sie in der Foto-Kommunikation mit ihren Liebsten asexuell bleiben müssen, damit kein Unglück geschieht. Hier steht eine aus den USA wenig reflektierte Abstinenzposition im Vordergrund, die nicht nur im Widerspruch zu anderen Haltungen zur Jugendsexualität stehen, sondern auch zu einer verdrehten Täter-Opfer-Position führen kann: „Sie (in der Regel sind Mädchen Hauptbetroffene) hat ja selber schuld“ (victim blaming). (Döring ebd.: 6) Dass dies kein Einzelfall ist, erleben LehrerInnen ebenso wie sexualpädagogische Fachkräfte immer öfter: Das Wissen um Persönlichkeitsrechte ist, wenn doch vorhanden, in diesem Kontext nicht anwendbar. Die (vermeintliche) Anonymität durch die Nutzung des Smartphones führt zur Weiterleitung, ohne sich dabei der Tragweite dieser unethischen und unrechten Handlung bewusst zu sein. 

Doch die Fotos geraten nicht von alleine und nicht durch eineN EinzelneN in Umlauf, es sind eine ganze Reihe von Personen, die sich strafbar machen, da sie bewusst etwas weitergeleitet haben, in dem Wissen, dass dieses Bild nicht für sie bestimmt war. Dies passiert vor allem im Kontext Schule, die eigentlich für den Schutz ihrer SchülerInnen verantwortlich ist. Tatsächlich aber ist die Schule oft nicht genügend vorbereitet, um gegen den Missbrauch von Fotos und dem daraus resultierenden (Cyber-)Mobbing vorzugehen. Gründe scheinen auch im technology gap zu liegen: Zwar haben Lehrkräfte nach Meinung von MedienexpertInnen aufgeholt (Amendt 2015: 18), was die Benutzung von Smartphones und Apps angeht, aber ob sie ein ähnliches Nutzungsverhalten wie ihre SchülerInnen aufzeigen, bleibt fraglich. 

Pädagogische Aufgabe muss sein, Sexting als Bestandteil des Erwachsenwerdens anzuerkennen, denn Voyeurismus, Exhibitionismus oder Narzissmus haben schon immer eine Rolle im sexuellen Miteinander gespielt. Jetzt gibt es die Medien dazu und damit neue Möglichkeiten, sich erotisch auszutauschen. Dabei sollte das eigentliche Problem in den Fokus gestellt werden: Das Herumzeigen und Weiterleiten privater Fotos ohne Einverständnis. In verschiedenen Fächern könnte medienpädagogisch und medienrechtlich vermittelt werden, worauf es im Social-Media-Zeitalter ankommt, inklusive Fragen der Ethik, der digitalen Privatsphäre und dem Recht am eigenen Bild. Dies muss nicht auf den Informatikunterricht beschränkt bleiben. Zentral ist die Unterstützung für Mobbing-Opfer durch Peers, Erwachsene, in der Jugendarbeit und Institutionen, hier gibt es Verbesserungsbedarf. Erwachsene, die sich auf die Seite der betroffenen Person stellen, sind ein wirksames Mittel um Mobbing zu stoppen. Auch die Aktivierung der unbeteiligten Personen sollte in den Fokus genommen werden, damit diese ihre Mitverantwortung erkennen und aktiv beistehen können. Schulen benötigen dazu Ansprechpersonen und Präventionskonzepte (vgl. Döring, Nicola: Warum Sexting unter Jugendlichen (k)ein Problem ist).