Mobbing vs. Cyberbullying – Was hat sich verändert?

Gewalt im Netz ist tagtäglich auf sozialen Medien sichtbar und wird quasi von einem Großteil der Gesellschaft geduldet. Hate speech – also Hassreden im Netz, Veröffentlichung von peinlichem Bild- und Tonmaterial auf Facebook und Co, Falschmeldungen (Fakemeldungen) also das Verbreiten von Lügen und nicht nur vom Ottonormalverbraucher, sondern auch von namhaften Personen in der Öffentlichkeit und Würdenträgern sind an der Tagesordnung. Hier gilt es umzudenken, kritisch zu hinterfragen, recherchieren zu lernen und mutig Dinge klar zu stellen und wenn nötig, auch rechtlich dagegen vorzugehen.

Dabei spielt das Cybermobbing ein massives Problem an Österreichs Schulen. Leider gibt es keinen Ausbildung für PädagogInnen an den Pädagogischen Hochschulen über Mobbing, Cybermobbing und vor allem, wie man es erkennen kann und was dann zu tun wäre. Keine PädagogIn lernt in der Grundausbildung, wie Mobbingklärungshilfe funktioniert und auch das Thema Gewaltprävention wird sträflich vernachlässigt. Auch rechtliche Sicherheit wäre ein wesentlich wichtiger zu schulender Unterrichtschwerpunkt in den pädagogischen Hochschulen.

Unter Cybermobbing oder Cyberbullying versteht man Handlungen oder Verhaltensweisen einer oder mehrerer Personen gegenüber einer anderen Person, die das konkrete Ziel haben, diese Person zu schädigen oder zu verletzen, die über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden und dies unter Zuhilfenahme von sozialen Medien, über PC, Tablet oder Smartphone.

Beim klassischen Mobbing ist man als Opfer „lediglich“ in dem Zeitrahmen der Mobbingsituation ausgeliefert, in dem man den Tätern begegnet. Das heißt, es gibt sogenannte Ruhephasen. Beim Cyberbullying fallen diese Ruhephasen zur Gänze weg, denn man ist 24 Stunden durch die Verwendung von sozialen Medien angreifbar.

Es kommt für die TäterInnen zu einem veränderten Gewalterleben durch die Verknüpfung von realer und virtueller Gewalt. Das gefilmte Gewalterleben wird von den TäterInnen durch Videos immer neu erlebt und es kommt dadurch laut Professorin Mariola Sulkowska-Janowska (2011) zu einem stärkeren Entmoralisierungsprozess.

Für TäterInnen ist es viel leichter im Internet jemanden fertig zu machen, die Angst davor, erwischt zu werden, ist nicht sehr groß. Dazu wird unter anderem „doxing“ verwendet. Doxing nennt man das systematische, internetbasierte Zusammentragen und anschließende Veröffentlichen von personenbezogener Daten aus dem Internet, mit dem Ziel jemand bösartig bloß zu stellen oder zu belästigen. Der virtuelle Voyeurismus, also das „sensation seeking“ hat in das Leben der Menschen Einzug gehalten und deshalb sind die veröffentlichten Tatvorgänge auch so medienwirksam.

Es ergibt sich durch die Verwendung sozialer Medien eine völlig neue Opfersituation (Endlos-Viktimisierung) und dadurch eine stärkere Traumatisierung. Zur bisherigen Mobbingsituation sind zahlreiche Möglichkeiten dazu gekommen, systematisch jemanden im Netz und somit im Realleben zu vernichten. Ein weltweites Publikum kann beim Cybermobbing zusehen (mehr als 1 Mrd. User auf Facebook). Die Täterinnen und Täter kommen bis ins Kinderzimmer!

Die Besonderheit ist der hohe Anonymitätsgrad. Dies führt zu mehr Angst bei den Opfern, da sie keine Lösungsstrategien sehen und die Täterinnen und Täter schwer zu identifizieren sind.

Die Akutphase kann dazu führen, dass sich Kinder oder Jugendliche das Leben nehmen. Als Suizidauslöser sind seit langem soziale Kränkungen und/oder der Verlust einer bedeutenden Bezugsperson bekannt.

Aufgabe der Erwachsenen

Social Media und Smartphone gehören in der heutigen Zeit unbestritten zur sozialen Entwicklung von Kindern dazu. Vielleicht gehören Sie als LeserIn wie auch ich zur Generation der „Digital Immigrants“. Digital Immigrants sind Personen, die nicht mit der digitalen Welt aufgewachsen sind, sondern hineinwachsen mussten. Kann man sich als Digital Immigrant der Verantwortung entziehen und ist man deshalb von der Verantwortung, seine Kinder auch im Internet zu beschützen, befreit? Kann man die Ausrede: „ Ich kenn mich ja da nicht aus!“ gelten lassen? Oder machen es sich manche zu einfach und wälzen die eigene Verantwortung auf den Schulbereich ab. Dann gehören sie zur Gruppe der digitalen Außenseiter oder Verweigerer.

Wenn Eltern und Lehrkräfte mit den Worten: „Ich kenne mich bei Facebook und Co und mit WhatsApp nicht aus, interessiert mich auch nicht und ich will mich damit auch nicht befassen“ signalisieren, dass sie für Probleme im Internet nicht als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, können noch viel größere Probleme entstehen. Kinder, die im Netz in eine sehr kritische Situation geraten, benötigen unbedingt eine erwachsene Person als AnsprechpartnerIn beziehungsweise eine Vertrauensperson. Dies können Eltern, aber auch Lehrkräfte, der Onkel, die Tante oder sonst eine bekannte Person sein, der/ die sich in der Medienlandlandschaft auskennt und dem sie sich anvertrauen können. Eine Studie in gesamten Europäischen Union hat ergeben, dass sich Kinder zum Beispiel im Mobbingfall am ehesten Hilfe in der Peergroup erwarten. Falls diese aber nicht zur Verfügung steht, wenden sie sich an Erwachsene. Wenn sie jedoch Sorge darüber haben, dass Eltern überreagieren und ihnen raten, Facebook zu löschen oder gar den Internetzugang sperren oder das Smartphone wegnehmen, dann werden sie sich mit Sicherheit nicht an die Eltern wenden. Der nächste, aber unter Umständen sehr gefährliche Weg ist, sich in irgendwelchen Internetforen mit ihrer Sorge zu outen. Leider lauern auch manchmal dort TäterInnen auf hilfesuchende Opfer.

Kinder müssen also aktiv auf Gefahren im Internet vorbereitet werden. Sie müssen wissen, dass das Internet große Anonymität bietet und dass es zum Beispiel Phänomene wie „genderswapping“ gibt. „Genderswapping“ heißt, dass sich Männer als Frauen oder Frauen als Männer ausgeben.

Kinder müssen wissen, dass sie nicht schuld sind, wenn sie im Internet Opfer einer Straftat werden und dass ihnen nicht die Gefahr droht, ihre digitalen Kontakte oder ihr Zugang zu social media zu verlieren, wenn sie sich jemanden anvertrauen.


Dieser Teil 1 aus dem Beitrag von Alexander Geyrhofer, www.gewaltpaedagogik.at, findet sich vollständig im aktuellen Diskurs.
Teil 2 erscheint am 27.11. und ist eine Erweiterung zu diesem Beitrag mit dem Fokus auf Computer-/Onlinespiele und deren Einfluß auf die Gewaltbereitschaft.