Gibt es viele Hasen, dann geht es den Wölfen gut. Sie vermehren sich. Das ist schlecht für die Hasen, sie werden weniger. Das ist dann wieder schlecht für die Wölfe, sie werden auch weniger, weil sie schwerer Futter finden. Gibt es weniger Wölfe, dann können sich die Hasen wieder vermehren — das ist dann wieder gut für die Wölfe.
„Zyklisches Wachstum“ sagt man dazu, oder „dynamisches Gleichgewicht“. Das mit dem CO2 in der Atmosphäre und den Pflanzen war über die letzten rund 400.000 Jahre auch so: Als das erste Chlorophyll, das erste Pflanzengrün, vor etwa dreieinhalb Milliarden Jahren auf der Erdoberfläche entstand, bestand die Atmosphäre etwa zu rund 32 % aus CO2 — Kohlendioxid. Über die Photosynthese nimmt das Blattgrün das CO2 aus der Luft auf, die Pflanze baut den Kohlenstoff in ihren Körper ein, die Pflanze wächst und gibt den Sauerstoff an die Atmosphäre ab. Rund drei Milliarden Jahre dauerte es, bis sich die Pflanzenwelt soweit ausgebreitet hatte, dass das CO2 fast gänzlich aus der Luft verschwunden war. Die Expansion der Vegetation stoppte dann, sie lebt seither „von der Hand in den Mund“: Verfügbar ist nur noch der Kohlenstoff, den abgestorbene Pflanzen über Verbrennung oder Verrottung wieder freigegeben haben. Der Kohlenstoff der Luft ist zum Teil „eingebaut“ in die Vegetation und über die Nahrungskette in viele weitere kleine und kleinste Organismen, zum Teil „weggepackt“ unter der Erde, die Atmosphäre war in eine für den Menschen geeignete Sauerstoffatmosphäre umgewandelt.
Wie „weggepackt“? In den ersten drei Milliarden Jahren ihrer Entstehungsgeschichte und auch noch danach war die feste Oberflächenschicht der Erde noch dünner. Kontinentalbewegungen verursachten große Verwerfungen und Überlappungen. Biomasse (Holz und abgestorbene Organismen) wurden in großen Mengen „weggepackt“ — gelangten tief unter die Oberfläche, wo sie in Jahrmillionen unter Druck, bei hoher Temperatur und unter Sauerstoffausschluss in Kohle, Öl und Gas umgewandelt wurden. Die Erdkruste wurde dicker, fester, die Bewegungen kleiner, das „Wegpacken“ des Kohlenstoffs endete. Zuletzt entstanden vor rund 60 Millionen Jahren die Alpen und die darin enthaltenen Braunkohlelagerstätten in geringer Tiefe (heute im Tagbau gewonnen). Die Menge des Kohlenstoffs für den sogenannten „biogenen Kohlenstoffkreislauf“ war somit festgelegt und limitiert. Die Vegetation war groß, leistungsstark, lebte aber an ihrer Wachstumsgrenze. Sie war immer „sprungbereit“ und konnte schnell expandieren, wenn sich eine Gelegenheit bot. Sie hielt den Atmosphären- Kohlenstoff damit „in Schach“ — zwischen 180 und 280 ppm bewegte sich der CO2–Gehalt in den letzten
400.000 Jahren. Carbon Capture and Storage — CCS — das die Menschen gerade zu erfinden versuchen, hat über Milliarden Jahre sehr gut funktioniert und unsere Sauerstoff-Lebenswelt vorbereitet und stabilisiert.
Mit dem verbleibenden Rest an Atmosphären-Kohlenstoff spielte die Natur „Wolf und Hase“: Setzte ein kontinentaler Waldbrand riesige Mengen Kohlenstoff — also CO2 — frei, so expandierte die Vegetation, bis sie wieder „an die Grenzen ihres Wachstums“ stieß — bei rund 180 ppm CO2. Blies ein Vulkanausbruch neben anderen Gasen auch CO2 in die Luft — die Vegetation „fraß“ es wieder weg, bis auf den Rest von 180 ppm, der wegen der sehr niedrigen Konzentration nur noch schwierig zu erreichen ist. Warum aber machen 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff und rund ein Prozent Edelgase „kein Klimaproblem“, 0,04 % Kohlendioxid (400 ppm, aktuelle Konzentration) aber schon? Weil Stickstoff und Sauerstoff aus Molekülen von zwei gleichen Atomen bestehen: N2, O2. Die Edelgase Ar, Kr, Ne, Xe sind einatomige Gase. Positive und negative Ladungen fallen zusammen, sie sind spannungsfrei und damit transparent für die Infrarotstrahlung. Verschiedenatomige Gase wie CO2 oder CH4 oder N2O und viele andere, vor allem komplexe technische Gase bilden Dipole und treten in Wechselwirkung mit der IR-Strahlung, sie speichern Wärme.
Die Menschen mischen über ihre Verbrennungs- und technischen Prozesse also ständig kleine Wärmespeicher in die Atmosphäre, diese verändern die Bilanz aus Wärmeeinstrahlung von der Sonne und Wärmeabstrahlung ins kalte Weltall bleibt täglich mehr und mehr Wärme in der Atmosphäre „hängen“.
Ja, es gab immer schon Treibhausgase in der Atmosphäre, Kohlendioxid und vor allem Wasserdampf, aber gerade so viel, dass das Klima in einem für den Menschen günstigen Bereich stabilisiert wurde. CO2 zum Beispiel durch das Wolf- und Hase-Spiel. Hätten wir gar keine Treibhausgase, dann wäre es so kalt auf unserem Planeten, dass das Wasser der Erde die meiste Zeit des Jahres gefroren wäre, bekannt seit 1824 (Joseph Fourier), erstmals richtig berechnet in 1896 (Svante Arrhenius). Treibhausgase an sich sind also nicht grundsätzlich schlecht. Die richtige Dosis ist gefragt, die, die zu einem Klima führt, in der die Menschen leben und arbeiten und sich in Ruhe auf das „Wirtschaften“ konzentrieren können. Die Vegetation sorgte für die richtige Dosis, solange der Mensch nicht eingegriffen hat. Aber seit Beginn der ersten industriellen Revolution vor etwa 250 Jahren mischen die Menschen zunehmend Hasen (CO2) ins Spiel — bei gleichzeitiger Behinderung und Auslöschung der Wölfe, der Vegetation. Wie viel trägt der Mensch nun bei? Die tägliche Ölförderung beträgt rund 80 Millionen Barrel. Abgefüllt in einen Eisenbahnzug wäre dieser rund 1.600 km lang, täglich, würde von Gibraltar bis Bremen reichen. Der tägliche Gaszug wäre etwa gleich lang, der tägliche Kohlezug rund eineinhalbmal so lang. Verbrennt man diese Kohlenstoffmenge, dann verbindet sich jedes Kohlestoffatom mit zwei etwa gleichschweren Sauerstoffatomen und es entsteht daraus die dreifache Masse an Kohlendioxid. Die Verbrennung von Kohlen-Feststoff oder Kohlenstoff-Flüssigkeit zu Kohlendioxid-Gas führt noch dazu zu einer Volumenvergrößerung um etwa den Faktor 800 — bei gleichzeitiger Abholzung von Regenwald und Bodenversiegelung in den Industriestaaten.
Damit wird schnell klar, dass nicht Vulkanausbrüche die Ursache für die Klimaverschiebung sein können, die sind vergleichsweise harmlos. Wie kann eine wirkungsvolle Wende aussehen? Auf dieselbe Art, auf die es gelungen ist, diese riesigen Mengen täglich zu verbrennen. Das war nur möglich, weil alle Menschen fleißig mitgeholfen haben. Und an der Energiewende müssen wieder alle fleißig mithelfen. Sowohl Massenenergieverbrauch wie Energiewende ist kein „Minderheitenprogramm“.
Dieser und andere Artikel zum Thema Klimakrise & Jugend finden sich im DISKURS Nr. 32 vom April 2020.
Der Feldkircher Constantin Eberle (18 J.) hat dazu einen Bericht aus jugendlicher Sicht geschrieben, nachzulesen unter www.ahamomente.at/anfangen-und-durchhalten