EU-Jugendstrategie 2019-2027: Inspiration und Orientierung für die europäische Jugendpolitik
Die seit 2002 bestehende jugendpolitische Zusammenarbeit der EU geht in die nächste Runde: Am 26. November 2018 wurde vom Rat der JugendministerInnen aller EU-Mitgliedsstaaten die EU-Jugendstrategie 2019-2027 verabschiedet. Sie ist in den vergangenen Monaten unter dem österreichischen Ratsvorsitz erarbeitet worden und erhebt den Anspruch, „eine gemeinsame und in sich geschlossene Antwort der EU auf die Herausforderungen zu finden, die sich den jungen Menschen überall in Europa stellen …“
Diesen Herausforderungen – wie zum Beispiel Globalisierung, Klimawandel, Populismus, soziale Ausgrenzung –, die sich letztendlich auch auf Beschäftigung und das Demokratieverständnis auswirken, sehen wir uns alle gegenüber. Sie wirken sich aber auf junge Menschen ungleich stärker aus und der Anspruch an sie, einerseits ihr eigenes Leben nach ihren Wünschen bestmöglich zu gestalten und andererseits „zum positiven Wandel in der Gesellschaft beizutragen“, ist nicht leicht zu erfüllen. Die EU-Jugendstrategie bietet den AkteurInnen auf den unterschiedlichen Ebenen – Organe der EU, lokale und regionale Gebietskörperschaften, Jugendorganisationen, JugendarbeiterInnen usw. – einen Rahmen, um sowohl Jugendliche als auch die Jugendpolitik dabei zu unterstützen, diese Herausforderungen zu meistern. Die Vision dafür haben die Jugendlichen selbst entwickelt: In den letzten Monaten haben junge Leute aus ganz Europa in einem partizipativen Prozess unter dem Motto „Jugend in Europa: Wie geht es weiter?“ elf europäische Jugendziele ausgearbeitet. Sie zeigen sektorübergreifende Bereiche mit Auswirkungen auf den Jugendbereich und aktuelle Herausforderungen und werden im Anhang des EU-Jugendstrategie-Papiers detailliert beschrieben.
Die drei Eckpfeiler der Jugendpolitik, die durch die Jugendstrategie gestärkt werden sollen, sind
Beteiligung: Entscheidungen, die heute getroffen werden, wirken sich auf das Leben junger Leute am längsten aus. Trotzdem haben Jugendliche in politischen Entscheidungsgremien meist weniger Einflussmöglichkeiten als andere Altersgruppen. Eine „substantielle bürgerschaftliche, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Teilhabe junger Menschen“ wird als essentiell für eine funktionierende Demokratie betrachtet und soll über Maßnahmen wie den neuen EU-Jugenddialog, die Auslotung innovativer Formen der Teilhabe und Möglichkeiten des Erwerbs von Partizipationskompetenz erreicht werden. Die Grundlage für die aktive Beteiligung junger Menschen an der Gesellschaft ist, dass sie Zugang zu umfassender, objektiver, verständlicher und zuverlässiger Information haben und in ihrer Fähigkeit gestärkt werden, diese Informationen auszuwerten und zu nutzen, wie in der Europäischen Charta der Jugendinformation beschrieben.
Begegnung: Grenzübergreifende Begegnungsmöglichkeiten sind entscheidend für interkulturelles Lernen und die Entwicklung von Solidarität. Europäische Zusammenarbeit ist hier gefragt, um Möglichkeiten des Kennenlernens, des Austausches und des Miteinanderlernens für alle Jugendlichen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zu unterstützen: Die EU-Programme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps bieten unterschiedliche Instrumente wie Freiwilligeneinsätze, Jugendbegegnungen, Vernetzungsmöglichkeiten für Fachkräfte, die den Blick über den Tellerrand und das Lernen voneinander ermöglichen.
Befähigung: Junge Menschen zu befähigen meint, „sie zu ermutigen, ihr Leben selbst zu gestalten“, etwa Zugang zu ihren gesellschaftlichen Rechten zu erhalten, sozialer Ausgrenzung zu begegnen, Propaganda und Fake News als solche zu erkennen und kritisch zu hinterfragen. Jugendarbeit kann hier die Rolle eines Katalysators für Lernerfahrungen spielen, bietet sie doch ein sicheres Umfeld, in dem Selbstvertrauen gestärkt und abseits von formalen Lernumgebungen Kompetenzen wie Teamarbeit, Problemlösen oder Projektmanagement vermittelt werden. Die Jugendstrategie spricht sich für eine Stärkung der Rolle der Jugendarbeit in Europa und mehr Wertschätzung für die Arbeit der Fachkräfte der Jugendarbeit aus.
Mit welchen Instrumenten soll die Jugendstrategie umgesetzt werden?
Jugendpolitik und der Aufbau von Wissen über junge Menschen sollte in direktem Kontakt mit den jungen Menschen erfolgen (evidenzbasiert) und bei deren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen ansetzen. Unter den Mitgliedstaaten bereits erprobt ist das Instrument des Voneinanderlernens: Es gibt einen Austausch von bewährten Verfahren, Tools werden zur Verfügung gestellt. Dazu sind neue, auf das bestehende Netz aufbauende Werkzeuge wie Peer-Beratung oder hochrangige Foren in Planung.
Ein weiteres Instrument ist „Partizipative Governance“. Damit ist die Teilhabe junger Menschen an Maßnahmen, die sie betreffen, gemeint: „Teilhabe bewirkt, dass junge Menschen und ihre Anliegen besser wahrgenommen werden, aber auch, dass die jugendpolitischen Entscheidungsträger stärker ins Blickfeld junger Menschen rücken“. Zur Erleichterung des Dialogs von Jugendlichen mit der Zivilgesellschaft wird eine Plattform eingerichtet. Darüberhinaus soll EinE JugendkoordinatorIn die sektorübergreifende Zusammenarbeit in Jugendfragen innerhalb der EU-Kommission stärken.
Weiterhin eine wichtige Rolle soll der Dialog mit der Jugend spielen: Ziel des „EU-Jugenddialogs“, der den „Strukturierten Dialog“ der letzten Jahre ablöst, ist es, „noch mehr Entscheidungsträger und junge Menschen, insbesondere solche, die kein Gehör finden und/oder geringere Chancen haben, in die Entscheidungsprozesse und die Umsetzung der EU-Jugendstrategie einzubinden und ihr Engagement und ihre politische Teilhabe in der EU und der Gesellschaft insgesamt zu fördern.“ An diesem Ziel soll weiterhin in nationalen Arbeitsgruppen unter Federführung von nationalen Jugendvertretungen jeweils in Zyklen von 18 Monaten mit Themenschwerpunkten gearbeitet werden.
Die EU-Jugendstrategie 2019-2027 steckt den Rahmen für die europäische Jugendpolitik ab. Die inhaltliche Ausgestaltung obliegt den Akteurinnen und Akteuren auf den unterschiedlichen Ebenen – von der Jugendministerin im Rat der Europäischen Union bis zum Jugendarbeiter/zur Jugendleiterin vor Ort.
Entschließung über die Jugendstrategie der Europäischen Union 2019-2027