Inklusion: Das gute Leben für ALLE!

Den Begriff „Inklusion“ hört mensch immer häufiger. Inklusion scheint in gewissen Bereichen gerade „hip“ zu sein. Inklusiv werden allerdings leider auch Projekte betitelt, die eigentlich integrativ sind. Das macht den Begriff schwammig und auch unglaubwürdig. Was also meint eigentlich Inklusion? Und wer soll inkludiert werden?

Inklusion bedeutet wörtlich übersetzt „Zugehörigkeit“. Gemeint ist damit die selbstverständliche Teilhabe aller Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen und Prozessen – unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, Sexualität, mit oder ohne Behinderung. Jeder Mensch wird mit all seinen individuellen Merkmalen als gleichwertig anerkannt. In der sozialen Inklusion werden Unterschiede und Eigenarten wohl wahrgenommen, sie werden aber nicht negativ bewertet und sie führen zu keiner Ausgrenzung. Barrierefreiheit für alle Menschen in sämtlichen Lebensbereichen ist ein großes Ziel von Inklusion. Denn: Es ist normal verschieden zu sein! (vgl. www.norm-braucht-vielfalt.org)

Ob Inklusion gelingt, hat viel mit der Haltung der handelnden Personen zu tun. Was aber haben die sogenannten „Normalen“ davon in einer inklusiven Gesellschaft zu leben? In Lifestyle-Magazinen, Lebensratgebern und in der Glücksforschung lesen wir immer wieder, was es für ein gutes und glückliches Leben braucht: Entschleunigung, raus aus der Komfortzone, Mut zur Lücke, probiere etwas Neues, genieße den Moment, höre auf dein Herz, folge deinem Bauchgefühl. Genau diese Zutaten fordert das Zusammenleben mit Menschen, die andere Merkmale haben als wir selbst. Wäre also die Chance auf ein glückliches Leben in einer inklusiven Gesellschaft für alle größer als in unserer vorherrschenden Leistungsgesellschaft, in der so viele dem vermeintlich perfekten Ideal nachhecheln und dabei gar nicht so glücklich sind und werden wie erhofft!? Ich bin überzeugt davon!

Inklusion fordert Selbstreflexion

Fest steht, dass es für ein gelingendes Miteinander Begegnungs- und Erfahrungsräume braucht. Denn ein Hauptgrund für Ausgrenzung ist auch die Unsicherheit vieler Menschen im Umgang mit Andersartigkeit. Dann lautet die Devise häufig: lieber wegsehen und -gehen, als etwas falsch machen. Je früher wir uns in vielfältigen Settings bewegen, desto selbstverständlicher, „normaler“ wird Vielfalt. Die Jugendarbeit kommt dabei an einer kritischen Schlüsselstelle ins Spiel. Denn gelingt Integration/Inklusion in Spielgruppen, Kindergärten, Volksschulen noch gut, wird es in der Zeit der Pubertät immer schwieriger für Jugendliche mit besonderen Merkmalen an Peergroups anzuknüpfen. Durch diese Ausgrenzung finden sich Betroffene oft in einem gesellschaftlichen Engpass wieder, in dem sie sich, oft isoliert, mit ihrer Situation auseinandersetzen müssen. Diese außerordentliche Belastung kann zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung junger Menschen haben: Ausgegrenzte Kinder und Jugendliche werden beispielsweise in ihrem schulischen und beruflichen Werdegang eingebremst. Positive Erfahrungen mit Peers, Freund*innen, Mentor*innen, Vorgesetzten, Lehrpersonen etc. können in solchen Situationen einen positiven (Aus-)Bildungsverlauf wiederum begünstigen.

„Entsprechend positive Erfahrungen, zu denen schon allein der Faktor beiträgt, keine negativen Erfahrungen zu machen, sondern einen selbstverständlichen Umgang zu erleben, unterstützt [sic] die jungen Menschen, ihre Ausbildung unbehelligt und bestmöglich zu begehen und dort als die Person zu agieren, die sie sind.“


(vgl.https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2021/30013_DJI_Krell_Erfahrungen_von_LSBTQ_Jugendlichen_in_der_beruflichen_Bildung.pdf)

Vielfach übernehmen Jugendarbeiter*innen eine wichtige Mentor*innenrolle für Jugendliche. Daher kann die Jugendarbeit sehr wertvolle Beiträge auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft leisten. Zum Beispiel, indem sich die Organisationen fragen: Welche Angebote sind für Jugendliche mit Behinderung, mit Migrationshintergrund, mit diversen Geschlechtsidentitäten etc. offen bzw. barrierefrei? Sind die Jugendlichen sichtbar? Erfahren sie Anerkennung? Werden sie in den Angeboten und Konzepten mitgedacht? Werden sie konkret eingeladen mitzugestalten?

Inklusion fordert Selbstreflexion von allen handelnden Personen: Mit welcher Brille blicke ich auf die Menschen? Wo fühle ich mich zugehörig? Welche Offenheit und Erfahrung mit bestimmten Themen bringe ich mit? Wo komme ich an meine Grenzen? Aus welcher (privilegierten) Position spreche ich?

Für mich ist der Prozess in Richtung einer inklusiven Gesellschaft lustvoll, anstrengend, hoffnungsvoll und zermürbend zugleich. Je mehr Menschen dieser Vision aber etwas abgewinnen, sich deren Potential bewusst werden und sich mit auf den Weg machen, umso mehr wird Inklusion zur gelebten Normalität und unsere Welt zugänglicher für ALLE!

Bildnachweis: www.autismuslink.ch/ueber-uns/leitbild/grafik-inklusion-web