Geld ausgeben ist einfach: Die Welt des Online-Shoppings bietet vom Sofa aus zahlreiche Möglichkeiten einzukaufen. Der „Bezahlschmerz“ kommt dabei zu kurz: Es verschwinden keine Scheine aus der Geldbörse. Mit nur einem Wisch am Smartphone ist scheinbar alles bezahlt. Jungen Menschen wird gerne nachgesagt, besonders empfänglich für diese neue Welt zu sein und das Thema Geld auf die leichte Schulter zu nehmen. Vorurteil oder Tatsache?
Junge Menschen in der Schuldenberatung
Dass schon junge Menschen sich verschulden ist keine Seltenheit. 21,7% der Personen, die sich im vergangenen Jahr für eine Beratung an die staatlich anerkannte Schuldenberatung in Österreich gewandt haben, waren 30 Jahre oder jünger. Sie haben also schon in jungen Jahren so viele Schulden angehäuft, dass sie Schwierigkeiten bei der Rückzahlung haben. 12,1% aller eröffneten Privatkonkursverfahren 2022 in Österreich betrafen Menschen, die jünger als 30 waren.
Die Klientel der Schuldenberatungen hat insgesamt eine wesentlich geringere Schulbildung als die Gesamtbevölkerung. Bei den Klient*innen bis 30 Jahren ist der Anteil mit geringer Ausbildung besonders hoch: 50,5% hatten 2022 einen Pflichtschulabschluss und 5,9% eine Matura als höchste abgeschlossene Ausbildung1. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Einkommen: Die Klient*innen bis 30 Jahre haben
besonders wenig Geld zur Verfügung. Fast ein Drittel hatte 2022 weniger als das Existenzminimum von 1.030 Euro monatlich. Die Durchschnittsverschuldung bei der Altersgruppe unter 30 Jahren lag vergangenes Jahr bei 33.845 Euro. Spannend dabei ist, dass junge Männer höhere Schulden vorweisen (Durchschnittsverschuldung 36.683 Euro) als junge Frauen (Durchschnittsverschuldung 29.266 Euro).2
Die Hauptgründe dafür, dass junge Menschen in Schuldenprobleme geraten, liegen im nicht vorausgeplanten Umgang mit Geld und somit fehlenden Finanzkenntnissen (32,8% aller Klient*innen unter 30 Jahren), an Arbeitslosigkeit oder Einkommensverschlechterung (32,2%) oder den Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie (14,2%).3
Buy Now – Pay Later
Oft wird zwischen den Zeilen hörbar, dass verschuldete Personen selbst Schuld seien und schlichtweg über ihre Verhältnisse gelebt haben. Schuldenprobleme sind aber – wie die Statistik zeigt – oft nicht unmittelbare Folge des eigenen Konsumverhaltens.
Doch auch dann, wenn Schuldenprobleme im eigenen ungeplanten Umgang mit Geld liegen, stellt sich die Frage: War der junge Mensch überhaupt in der Lage, die Folgen des eigenen Handelns ausreichend abzuschätzen? Wissen junge Menschen genug über Geld, um ihr Finanzleben zu planen? Nehmen wir als Gesellschaft die Aufgabe, junge Menschen fit für das Geldleben zu machen, ausreichend wahr?
Wie eingangs beschrieben, ist es durch die Online-Welt besonders leicht geworden, Geld auszugeben. Bei einer Barzahlung an der Kasse etwa wird der „Bezahlschmerz“ spürbar, da das Geld in der Geldbörse weniger wird. Es kann dabei auch nicht mehr ausgeben werden, als in der Geldtasche vorhanden ist. Wird nicht bar bezahlt, fehlt diese Erfahrung und wird im Hintergrund „nur“ die Summe am Girokonto kleiner. Es ist wesentlich herausfordernder, die Zahl am Girokonto punktgenau zu jeder Zeit im Blick zu haben, als sich einen Betrag in bar abzuheben und diesen als Budget zu setzen. In nahezu jedem namhaften Online-Shop ist mittlerweile eine Ratenzahlung oder ein Kauf über einen so genannten Bezahldienst möglich – buy now, pay later! Dass es sich sowohl bei einer Ratenzahlung als auch bei der Nutzung eines Bezahldienstes aber bereits um einen Kleinkredit handelt, ist den meisten Menschen nicht bewusst. Die Nutzung solcher Angebote kann kostspielig sein (Zinsen!) und kann bereits Konsequenzen für die eigene Bonität sowie – etwa durch einen Eintrag auf Warnlisten wegen einer verspäteten Zahlung – Folgen für das spätere Finanzleben haben. Aufgrund dieser Entwicklungen ist es als gesellschaftliche Aufgabe zu sehen, junge Menschen mit dem nötigen Wissen auszustatten, um finanziell gesund durchs Leben zu gehen.
Buy Now – PAIN Later
Während Männer beim Finanzwissen deutlich besser Bescheid wissen als Frauen, schneiden sie beim Finanzverhalten und der persönlichen Einstellung schlechter ab. Im internationalen Vergleich sind jedoch Österreicher*innen eher umsichtig, risikoscheu und vorausschauend und haben einen guten Überblick über ihre Finanzen. Junge Menschen unterscheiden sich aber in mehrfacher Hinsicht von anderen Altersgruppen: Sie neigen dazu, für das Heute zu leben und lassen das Morgen auf sich zukommen. Sie verfügen über ein relativ geringes Finanzwissen und sind finanziell weniger gut organisiert als Ältere. Sie überlegen sich viel seltener, ob sie sich einen Kauf leisten können und sind eher bereit, einen Teil ihres Geldes zu riskieren. Dadurch sind sie auch in der Finanzplanung weniger risikoscheu oder vorausschauend, sind aber offener für digitale Zahlungsmittel und Technologien (wie Banking-Apps oder Geldmanagement-Tools) im Allgemeinen.
Dennoch setzen sich junge Menschen durchaus langfristige finanzielle Ziele und streben auch danach. Offensichtlich besteht also ein Missverhältnis: Es fehlt jungen Menschen das Bewusstsein, dass für die Erreichung ihrer langfristigen Finanzziele auch ihr tägliches Finanzverhalten geplant sein muss.
Dabei hilft auch die Offenheit für Technologien nicht: Zahlungen werden per Smartphone getätigt, Banking-Apps oder Geldmanagement Tools werden im Alltag verwendet. Dennoch haben Menschen unter 30 ihre Finanzen nicht besser im Griff. Das könnte daran liegen, dass es schwierig ist, die Fülle an zur Verfügung stehenden Informationen vollständig aufzunehmen.4
Basis-Finanzbildung für alle!
Angesichts dieser Tatsachen und des täglichen Umgangs mit schlechter gebildeten und oft noch sehr jungen Klient*innen haben die staatlich anerkannten Schuldenberatungen schon vor Jahrzehnten Handlungsbedarf gesehen. Seit den 1990er-Jahren bieten sie österreichweite Angebote in der Finanzbildung. Die staatlich anerkannten Schuldenberatungen verstehen Finanzbildung dabei als Basisbildung, die junge Menschen fit für finanzielle Alltagsentscheidungen macht. Es ist also deutlich mehr als die richtige Definition von Kredit oder Zinseszinsen zu kennen. Gemeint ist auch nicht Wissen über Aktien, Wertpapiere oder die beste Anlageform für das eigene Geld. Es geht vielmehr um die Vermittlung von Kompetenzen für finanzielle Alltagsgeschäfte und die Befähigung, eigenständiges Handeln zu ermöglichen. Die Zahlen – wie zuvor beschrieben – zeigen, dass es um die Basics im Alltag geht, die es jungen Menschen zu vermitteln gilt.
Die Finanzbildung der staatlich anerkannten Schuldenberatungen hat daher nicht die Interessen des Kapitalmarktes im Fokus, sondern immer jene der Menschen. Leider wird nicht in allen Bundesländern Finanzbildung als Zusatzangebot der Schuldenberatungen von öffentlicher Hand gefördert.
In Vorarlberg gibt es mit dem Vorarlberger Finanzführerschein ein Vorzeigeangebot, das die altersgerechte Vermittlung von Finanzkompetenzen an junge Menschen in den Mittelpunkt stellt. Er wurde im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung von der ifs Schuldenberatung entwickelt und mit mehreren Partnerinstitutionen umgesetzt. Die Statistik und Studien zeigen, dass es in Österreich insgesamt Aufholbedarf im Bereich der Finanzbildung gibt. Vor diesem Hintergrund startete im Herbst 2021 die vom Finanzministerium ins Leben gerufene „Nationale Finanzbildungsstrategie“. In der Umsetzung der Strategie sollen Bürger*innen ermächtigt werden, Finanzentscheidungen geplant zu treffen. Vorhandene Finanzbildungsangebote werden gebündelt und Lehrpläne überarbeitet. Die staatlich
anerkannten Schuldenberatungen sind hier von Anfang an involviert. Es ist wichtig, dass junge Menschen schon früh grundlegende Finanzkompetenzen vermittelt bekommen, um zu lernen, mit ihrem Einkommen auszukommen. Nur so wird verhindert, dass am Ende des Geldes noch Monat übrig ist.
Anmerkungen
1 Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung verfügen 25% über einen Pflichtschulabschluss und 14,7 % über eine Matura als höchste abgeschlossene Ausbildung. (Quelle: Statistik Austria (2019): Bildungsstand in der Bevölkerung ab 15 Jahren nach Altersgruppe und Geschlecht)
2 ASB Schuldnerberatungen GmbH (2022): Datenauswertung für 2022
3 Ebd., Mehrfachnennungen zu Verschuldungsgründen bei Erstberatung 2022
4 Österreichische Nationalbank (OeNB) (2020): Financial literacy in Austria – focus on millennials.